Donnerstag, 22. Oktober 2015

Millennium ChessGenius - Richard Lang ist zurück

Nach einer gefühlten Ewigkeit traut sich tatsächlich wieder ein Hersteller einen Schachcomputer neu auf den Markt zu werfen. Dabei ist nicht die Rede von einem Anfängercomputer wo das Schachprogramm eine Nebenrolle spielt, in Gemeinschaft mit Dame, Reversi, Tic-Tac-Toe und sonstigen Spielen. Nein - auf der Verpackung ist es angekündigt: Der Schachcomputer für Turnier- und Vereinsspieler, Spielstärke >2000 ELO! Das ist mal eine Hausnummer. Meist sind diese Ankündigungen ja Schall und Rauch, doch der Programmierer des Schachprogramms ist kein geringerer als Richard Lang, der Serien-Weltmeister aus den 80er/90er Jahren.

Schaut man auf die technischen Daten, so verspricht ein ARM Cortex M4 Prozessor mit 48 MHz eine solide Rechenleistung. Der ChessGenius läuft sowieso auf verschiedenster Hardware, da war eine Anpassung auf die neue Umgebung wohl eine leichtere Aufgabe für Richard Lang. Herausgekommen ist dabei der Millennium ChessGenius in einem der preiswerten Drucksensorgehäuse wie man sie heutzutage kennt. Preis: 99€.

Als erstes fällt mir nach dem Auspacken auf: Das Ding ist ulta-leicht! Könnte fast als Frisbee-Scheibe verwendet werden. Durch seine seitlich abgerundete Form steht der ChessGenius sicher auf dem Tisch. Das schwarzgefärbte Gehäuse ist matt lackiert und wirkt ansprechender als auf vorher veröffentlichten Hochglanz-Fotos. Das Drucksensorbrett spricht bei verkantet aufgesetzten Figuren gut an, allerdings sind mir die mitgelieferten Schachfiguren ein Greuel. Unstimmig in den Proportionen und zu rutschig auf dem Brett. Die Tasten sind jedem Mephisto-Fan bekannt, ebenso wie die klar strukturierte Menuführung. Das LCD Spielbrett hätte man sich schenken können, da viel zu klein. Stattdessen wäre eine größere Textinformation hilfreicher, denn durch die eingesparten LEDs zur Zuganzeige ist man auf das Display angewiesen. Da gestaltet sich das Ablesen von Zug, Hauptvariante, Stellungsbewertung & Co. recht mühselig. Immerhin hat man dem Display eine Hintergrundbeleuchtung spendiert. Ein Netzadapter wird übrigens nicht mitgeliefert (dieser muss separat geordert werden), dafür 3x AA Batterien.

Zur Spielstärke: In den bekannten Foren bei Schachcomputer.info und HIARCS Chess Forums wurden bereits die ersten Partien gepostet. Aktueller Stand: Auf Aktiv-Level, 30 Sek/Zug, erreicht der Millennium Chess Genius knapp 2200 ELO. Auf Turnierstufe kann er dies (noch) nicht bestätigen. Ein sehr interessanter Vergleich mit älteren Programmen aus der Feder von Richard Lang, bietet sich durch den BT2630-Test an. Wie schlägt sich der neue ChessGenius bei diesen Aufgaben? Robert hat diesen Test durchgeführt und auf Schachcomputer.info veröffentlicht.

BT2630 Nr. ChessGenius London 68030 Genius 68030 Berlin pro London
1 134 1 1 1
2 230 5 4 8
3 100 1 6 3
4 133 900 900 900
5 900 102 900 203
6 1 8 4 8
7 1 1 1 2
8 25 82 1 128
9 900 900 900 900
10 1 284 210 350
11 3 5 5 7
12 30 84 85 125
13 900 900 900 900
14 4 120 62 238
15 900 900 900 900
16 900 900 900 900
17 11 3 3 5
18 80 11 11 13
19 115 28 52 10
20 135 22 782 29
21 900 900 900 900
22 145 134 130 149
23 900 900 900 900
24 900 124 123 181
25 900 126 125 214
26 900 900 900 900
27 5 283 330 424
28 900 900 900 900
29 900 900 900 900
30 447 95 260 153
Summe 12400 10519 12095 11251
BT - ELO 2216 2279 2227 2255

Millennium ChessGenius Partien: Aktivschach 30Sek/Zug

Die taktische Leistung liegt also fast auf gleicher Höhe mit den 68020/68030-Boliden der 90er. Ein kurzer Blick auf die Einzelresultate zeigt aber sofort: Hier sind große Abweichungen in den Lösungszeiten des ChessGenius zu erkennen. Welche Veränderungen vorgenommen wurden und wie sich diese im praktischen Spiel bemerkbar machen, wird sich zeigen. Meine erste Vermutung: Richard Lang hat einiges an Schachwissen geopfert, um das Programm so klein wie möglich zu halten. Auf schnellen Smartphones/Tablets genügt die Suchtiefe alleine, um eine hohe Spielstärke zu erlangen. Dieses Prinzip soll sich nun auch beim Millennium ChessGenius bewähren. Ich bin gespannt, ob sich diese Geschichte weiter entwickelt.